Mittwoch, 29. Dezember 2010

Die Waschweiber wolln ihre Turtn perfekt

Das das Wiener Label Problembärrecords zu weit mehr als zu den aufgehenden Sternen am heimischen Indielabelmarkt zählt, hat es mit zahlreichen Releases rund um den Nino aus Wien, Mob und Parkwächter Harlekin bewiesen. Stefan Redelsteiner, der als idealistischer Musikarbeiter, Freund und Feind in seinem Labelstall, abseits musikalischer Genres und Schubladen um sich scharrt, hat ein gutes Händchen (und auch ein nicht minder gutes Öhrchen) für heimische musikalische Ausnahmetalente. Die von mir hier bereits erwähnten und in Gezeichnet fürs Leben schon zu Gast gewesenen Mob, der Nino aus Wien und Parkwächter Harlekin bilden nur die Speerspitze des Problembäruniversums. Auf das Label bin ich vor drei Jahren gestossen, als mir der Peda, der Chefredakteur vom SLAM eine blaue CD mit weißem Neuschnee-Schriftzug in die Hand drückte. Als renidenter, sich stets streubender Schreiberling, sagte ich damals natürlich Neuschnee "was is das für a schas". Koksende Piefken (alle deutschen Leser mögen meine vulgäre und zutiefst erniedrigende Schreibe entschuldigen!). Mit den Piefken lag ich nicht falsch. Denn der wohl musikalischste aller deutschen Wahlwiener Hans Wagner (ja das ist das halbe trojanische Pferd) hat mit seiner Band Indie mit Streichern und deutsprachigen Texten in einer eigenen musikalische Liga geschaffen. Das zweite Neuschneealbum wird 2011 die Welt zu Tränen und Gänsehaut rühren.

Aus aktuellem Anlass, nämlich dem dritten Label-Geburtstag hat Stefan R. mit Konsorten einen Geburtstagssampler mit musikalischen Schmankerln des Labels und seinen Freunden veröffentlicht. Der Nino aus Wien, das Zugpferd des Bärenstalls, trällert eine Homage an den Schlagoberskoch (aus dessen Text ich mir die Headline für diesen Post gefladert habe!). Weitere Highlights der Compilation sind das Trojanische Pferd mit Fahrstuhlmusik. Ebenfalls auch bei Gezeichnet fürs Leben performt. Fred Schreiber, die Stimme ohne Namen,erinnert mit größer als wir an längst vergessene Spagettiwesterngitarrengriffe. Aber auch Sir Tralala, Sex Jams (die übrigens am 7. Jänner live bei GFL zu hören sind)und viele andere illustre Gäste des Wiener Popdings geben dem Bären die Ehre. Der beste heimische Sampler seit 5 Jahre Konkord und Im Sumpf 2.

Auf der Innenseite dieses Albums wurde auch einem gewissen Mäx Egger gedankt. Das war vermutlich das erste und letzte Mal, dass das geschehen wird, umso erstaunter, gerührter und dankbarer, war er! Der Problembär rockt, grunzt, popt und brüllt und das noch mindestens die nächsten 3 Popfeste lang!

Hier nochmal die besten drei Problembärperformances bei Gezeichnet fürs Leben in völlig subjektiver Wahrnehmung:

Auf Platz 1. Parkwächter Harlekin mit die Disneyesque Verwunderung des Experten

Auf Platz 2. Der Nino aus Wien mit Zimmer zu vermieten

Auf Platz 3. Mob mit ich bin leicht

P.S.: Mäx Egger findet aber auch Konkord, Siluh,Sea You und Wohnzimmer ganz groß. Ah ja und Schoenwetter auch!

Saufkopf, Weiberheld und Ausnahmetalent

Gainsbourg Soundtrack

Die Erwartungen die der Film des französischen Comickünstlers Joann Sfar nicht erfüllt hat, übertrifft der Soundtrack des Films aber glücklicherweise bei weitem. Den Gainsbourg Klassiker und gleichzeitig seinen einzigen internationaler Welthit „Je Táime...Moi Non Plus“, sein Duett mit Jane Birkin, dass 1969 tausende prüde Franzosen verschreckte, findet man ebenso auf der Tracklist wie Bonnie und Clyde. In der Originalversion des Songs singt Brigitte Bardot die weibliche Stimme. Auf dem Soundtrack tut das ihre Darstellerin Laetitia Casta. Den Part des provokanten Channsoniers übernimmt vor dem Mikro wie auch auf der Leinwand Eric Elmosmino. Arrangiert wurden die Songs von Olivier Daviaud, der es sehr gut verstanden hat die eigentlichen musikalischen Roots des eigenwilligen Sängers wie Reggae, russische Volksmusik, Klassik, Chanson und Rock unter einen Hut zu bringen. Die Songauswahl ist klug gewählt, die Schauspieler, die im Film eher blass agieren, können aber glücklicherweise singen und hauchen so wenigstens dem Soundtrack Leben ein. Ein schöner Erinnerungssampler für Fans des Enfant Terribles und Frauenschwarms, aber auch ein gutes Einstiegswerk in die musikalische Materie des Serge Gainsbourg!

Diese Rezension ist auch in der aktuellen Ausgabe der Kinozeitschrift Celluloid zu lesen!

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Brennend heißer Wüstensand

Sven Regener ist wohl einer der begnadedsten deutsprachigen Musiker und Texter. Und symphatisch ist der Mann auch. Als er mich mal nach einem Interview auf eine Apfel-Schorle eingeladen hat und gemeint hat das "zahlt ja eh der Verlag", hatte er mich nicht nur als Fan seiner Musik und seiner Texte, sondern auch als Fan des Menschen Sven Regeners in der Tasche. Das "neue" Element of Crime Album Fremde Federn versammelt viele der Coverversionen der Bandgeschichte erstmals gemeinsam auf Vinyl oder CD. Als Fan hat man Freddy Quinns Coverversion von Heimweh ja eh schon auf dem "Die Fetten Jahre sind vorbei"-Soundtrack oder "My Bonnie is Over the Ocean" und Bob Dylans "Baby Blue" auf der B-Seite der Straßenbahn des Todes Single, aber viel "Schmanckerl" gehen einem dann doch durch die Lappen. Großartig ist Regeners Version von Noir Desires (im Duett im Manu Chao) Le Vent Nous Portera (Der Wind wird uns tragen) auch wenn Französisch genau wie Englisch nicht die Stärke des Element of Crime Sängers ist. Aber gerade das macht die Lieder so charmant.
Sogar die nicht todzukriegende Wham Weihnachtsschnulze "Last Christmas" klingt in der EOC Version gar nicht mal so übel. Bee Gees "I started a Joke" gefällt mir in der Coverversion, der von mir überaus geschätzten Band Faith No More besser.
Wer aber Wham, Udo Lindenberg die Bee Gees, Freddy Quinn, Serge Gainsbourg oder die Beatles covert, der hat keine Angst vor Kitsch, Schlager und Evergreens. Element of Crime müssen niemanden mehr etwas beweisen. Sie sind die beste deutsprachige Band der letzten dreißig Jahre und es ist nur mehr eine Frage der Zeit bis ein Element of Crime Tribute oder Coveralbum in den Plattenläden steht!
Bis zum neuen Album läßt sich die Zeit mit den Coverversionen mehr als nur gut vertreiben.
copyright Cover und Foto: Universal Musik

Montag, 6. Dezember 2010

Long Long Way To Mexicotown

Würde Ennio Morricone aus Downunder kommen, wären die "Puta Madre Brothers" vermutlich seine unehelichen Söhne, die so aussehen als würden sie mit Bud Spencer Bohnen fressen, nur um sie sie im nächsten Augenblick wieder dem Publikum ins Gesicht zu spucken.
Drei kleine Australier, far, far away from Home, die vermutlich lieber mit Subcommandante Marcos und Zapata auf die mexikanische Vinylpirsch gehen würden. Ihr Album Tuesco y Cojones ist dieser Tage beim wunderbaren Label Rookie Records erschienen und wird über Cargo vertrieben. Surf Gitarren, ein knatzender Bass und viel Spaß, das sind die Zutaten der "Huren Mutter Brüder".
14 Songs die so inspirierende Titel wie "The One Legged Horse", "Toes of a Dead Man" "I Miss my Mommas Cooking" haben, rattern hier aus der Anlage. Hier hört man die Strohballen vorbeiwehen, die Sporen an den Kuhbubenstiefel rollen und die Kinder zu den Müttern rennen. Der Colt ist im Anschlag und der Kautabak in der Goschen. Der schönste Soundtrack zu Spagetti und Western. Wohltuend wie ein Schuss in den Rücken!
copyright pics.) Rookie Records bzw. Cargo!

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Ich baue mir meine eigene Heimat...

...aus dem Filz von Joseph Beuys. So lautet eine Textzeile aus einem unveröffentlichten Song der Laokoongruppe. Auf dem neuen Album "Staatsoper" von Karl Schwamberger thront selbige in einer Lodenminiversion.


In der GEZEICHNET FÜRS LEBEN SHOW vom 3. DEZEMBER wird die LAOKOONGRUPPE live zu Gast sein. Karl Schwamberger präsentiert sein neues Album, das am höflichen Wiener Label Konkord kürzlich erschienen ist. Zur großen Freude des Autors dieser Zeilen wird Karl auch einen Song live zum Besten geben. Welcher dies sein wird ist eine Überraschung. Eines darf aber verraten werden, ein Keyboard ist mit im Spiel. Also einschalten! Am Freitag den 3. Dezember um 23.00. Eine Stunde lang live und ungeschnitten Laokoongruppe Spezial!

Hier meine Kritik zu Staatsoper, wie sie demnächst im SLAM erscheinen wird.

Laokoongruppe
Staatsoper
Konkord/Hoanzl/Broken Silence

Karl Schwamberger ist die Laokoongruppe. Der Name des Einmannprojekts der sehr an den trojanischen Wahrsager Laokoon erinnert, der seine Landsleute davor warnte das Pferd in die Stadt zu ziehen und der daraufhin mit seinen Söhnen von einer Göttin gesandten Wasserschlange getötet wurde, ist subtiler gewählt. Koal ist ein Palindrom von Laok. Lange Schreibe kurzer Sinn. Der Stil der Laokoongruppe wird von Kritikern gerne als Diskurspop bezeichnet. In diese Reihe will sich der Autor dieser Zeilen aber nicht eingliedern. Vielmehr ist die Mischung aus Klassik, Pop, Elektro mit schlageresken Elementen ein einmaliger Hörgenuss. Was schon am Debut Walzerkönig überzeugte verschärft sich auf Staatsoper noch: Die textliche Ebene der Songs. Der Subtext in jeder Zeile kann gerne als Systemkritik aufgefasst werden, lässt aber seinen ZuhörerInnen auch genügend Raum für eine andere Interpretation. Mr. Schwamberger der als Jugendlicher Klarinette spielte und im Kirchenchor sang, hat eine gewisse Vorliebe für die Symphonien von Anton Bruckner, die er auch Häppchenweise vortrefflich in seine Lieder sampelt. Am Cover thront die Wiener Staatsoper aus Loden. Gefertigt von Karls Nachbarn Hannes Anderle. Staatsoper ist düsterer als das Debüt. Anspieltipps sind generell alle 16 Nummern. Speziell aber „Gott, Stevie Wonder und der Vogelstimmenimitator“, sowie "ein bisschen Melodie", auf dem sich auch der nicht minder großartige Wiener Hip Hoper Parkwächter Harlekin ein paar Textzeilen austoben kann. Ein Album wie ein akustisches Frühstück für zwei. Und das könnt ihr mir glauben, denn es steht in der Zeitung! (9/10)
Wer mehr über die Laokoongruppe erfahren will, kann hier ein fundiertes Porträt, das ein gewisser Mäx Egger verfaßt hat.


credits Fotos und Cover: LAOKOONGRUPPE